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03.07.2014: Wiederansiedlung der Gelbbauchunke im Landkreis Schaumburg in Niedersachsen

NABU-Projekt macht „Lurch des Jahres“ wieder heimisch

 

(Von links) Dr. Sandra Balzer (Bundesamt für Naturschutz), Dr. Mirjam Nadjafzadeh, Dr. Holger Buschmann (beide NABU Niedersachsen), Almut Kottwitz (Umwelt-Staatssekretärin vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz) bei der Wiederansiedlung von Gelbbauchunken. Rechts ein Pressevertreter und Ralf Berkhan (NABU Niedersachsen).

 

Bernsen, Hannover, 3. Juli 2014. Im Rahmen des Projektes „Stärkung und Vernetzung von Gelbbauchunken-Vorkommen in Deutschland“ konnte der NABU Niedersachsen jetzt die Gelbbauchunke, welche gleichzeitig „Lurch des Jahres 2014“ ist, wiederansiedeln. Das Projekt wird vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Umweltministeriums im Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert. Die Wiederansiedlung wurde in Bernsen im Landkreis Schaumburg mit prominenter Besetzung vorgenommen: Almut Kottwitz, Umwelt-Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, die Leiterin des Zoologischen Artenschutzes Dr. Sandra Balzer vom Bundesamt für Naturschutz, der Landrat Jörg Farr, Dr. Michael Behrndt der Niedersächsischen Landesforsten, Torsten Honkisch als Vertreter der Norddeutschen Naturstein AG und Christian Grolig des Verbands der Bau- und Rohstoffindustrie und Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, entließen junge Gelbbauchunken und Kaulquappen in geeignete Gewässer im ursprünglichen Verbreitungsgebiet. Der NABU bedankte sich bei seinen Kooperationspartnern und Unterstützern.

 

„Das ist ein weiterer Meilenstein für den Naturschutz, der hier im Landkreis Schaumburg erreicht werden konnte“, zeigte sich Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, begeistert. „Die Wiederansiedlung ist ein Lückenschluss im ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Gelbbauchunke. Denn es geht nicht darum Refugien, sondern ein Netz von geeigneten Lebensräumen für die Gelbbauchunke zu schaffen.“ Bis dato verhinderten Straßen und andere Barrieren die Wiederbesiedlung. Jetzt konnte – nach der Wiederherstellung geeigneter Lebensräume durch die Norddeutsche Naturstein GmbH und den NABU – die Gelbbauchunke wieder „einziehen“ und gleichzeitig die Wanderdistanz zu den letzten isolierten Vorkommen weiter verkürzt werden. „Wir danken unseren Kooperationspartnern, dem Landkreis Schaumburg, der Norddeutschen Naturstein GmbH und den Niedersächsischen Landesforsten sowie den vielen Förderern des Projektes!“, so Dr. Holger Buschmann weiter.

 

„Ich freue mich, dass wir zur Wiederansiedlung der Gelbbauchunke beitragen können. Es geht hierbei nicht nur um den „Lurch des Jahres 2014“, sondern um eine Leitart des Artenschutzes, die hier an ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze lebt und vom Aussterben bedroht ist“, stimmte die Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz ein, „diese offenen Lebensräume können durch ein an die Arten angepasstes Management zu ‚Hotspots‘ der Artenvielfalt entwickelt werden. Wir sind begeistert, dass ein wichtiger Teil des Gelbbauchunken-Projektes in Niedersachsen umgesetzt wird und dieses auch finanziell von Seiten des Ministeriums unterstützt werden kann!“

 

„Die ursprünglichen Lebensräume der Gelbbauchunke sind in Deutschland weitestgehend zerstört, daher kommt dem Erhalt ihrer Sekundärlebensräume eine große Bedeutung zu. Diese ermöglichen der Spezies dort langfristig überlebensfähige Populationen zu entwickeln“, sagte Dr. Sandra Balzer vom Bundesamt für Naturschutz. „Ich bin überzeugt, dass dieser Ort gut geeignet ist, sodass sich die Gelbbauchunke hier langfristig etablieren kann!“, so Sandra Balzer weiter. „In Zukunft sollten weitere ehemalige Abbaustätten wie diese, für den Natur- und Artenschutz vorbehalten werden, denn diese können einen erheblichen Beitrag für den Erhalt unserer Biodiversität im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie leisten!“

 

Der Landrat des Landkreises Schaumburg Jörg Farr bekräftigte: „Ich freue mich, dass dieses breit angelegte vernetzte Projekt so erfolgreich verläuft. Dazu haben die vielen Kooperationspartner – der NABU Niedersachsen, diverse Forstverwaltungen, die Bundeswehrverwaltung, die Steinbruchbetriebe und auch Privatpersonen – einen besonderen Beitrag geleistet.“

 

Dr. Michael Behrndt repräsentierte den Flächeneigentümer, die Niedersächsischen Landesforsten, und bemerkte „Das Gelbbauchunkenprojekt ist ein weiteres Praxisbeispiel für die erfolgreiche Kooperation der Niedersächsischen Landesforsten mit dem NABU. Es gibt Grundbesitzer die träumen davon, eine solch besondere und seltene Art wie die Gelbbauchunke auf ihren Flächen zu finden. Wir sind froh mit der Bereitstellung von Flächen aktiv am Projekt mitwirken und mit der Wiederansiedlung ein lokales Aussterbeereignis aus dem letzten Jahrhundert kompensieren zu können.“

 

„Der Natur- und Artenschutz gehört heutzutage für die Norddeutsche Naturstein GmbH zum Geschäftsalltag, wie die Rohstoffgewinnung selbst“, sagte der Leiter der Bergbauplanung der Basalt AG, Torsten Honkisch. „Der Abschluss der Kooperationsvereinbarung ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem NABU. Wir freuen uns, dass wir durch unsere Unterstützung direkt dazu beitragen können die Gelbbauchunkenvorkommen im Weserbergland zu stärken.“

 

Christian Grolig, Geschäftsführer der Abteilung Rohstoffe und Umwelt des Baustoffverbandes vero bekräftigte die Wichtigkeit dieses Großprojekts als Praxisbeispiel für die schon im Jahr 2010 geschlossene Erklärung zur Rohstoffnutzung in Niedersachsen zwischen dem Wirtschaftsverband Baustoffe-Naturstein e.V. – heute vero Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e.V. – und dem NABU Niedersachsen. „Rohstoffgewinnung und Naturschutz schließen sich nicht gegenseitig aus, die stetige Dynamik und die dadurch entstehenden Kleingewässer zeigen am Beispiel der Gelbbauchunke, wie hier eine Win-win-Situation entstehen kann. Wie die Gewinnung der Rohstoffe ist auch der Natur- und Artenschutz unverzichtbar! Wir sind von der Wichtigkeit und Notwendigkeit des Projekts überzeugt und freuen uns, darin mitarbeiten zu können!“, setzte Christian Grolig den Schlusspunkt der Redebeiträge.

 

Nach den Grußwörtern konnten die Vortragenden zur Tat schreiten und siedelten Gelbbauchunken und Kaulquappen in geeigneten Tümpeln an. Die Tiere mit genetischem Ursprung im Nördlichen Weserbergland wurden vorher in Terrarien vermehrt und herangezogen. „Wir siedeln hauptsächlich Kaulquappen an, da diese so die Möglichkeit haben, sich an ihren Lebensraum zu gewöhnen und satt zu fressen. Denn je größer die Kaulquappe, desto größer ist das Jungtier nach der Metamorphose. Größere Jungtiere können wiederum größere Nahrung bewältigen“, so Dr. Holger Buschmann. Das steigert das verfügbare Nahrungsangebot und die Überlebenswahrscheinlichkeit der jungen Gelbbauchunken.

 

Hintergrund

Die Gelbbauchunke ist eine Art, für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt und die sich in einem schlechten Erhaltungszustand befindet. Der NABU hat sich als Naturschutzverband der bundesweiten Stärkung und Vernetzung der letzten verbliebenen Gelbbauchunken-Vorkommen angenommen. Zusammen mit vielen Projekt- und Kooperationspartnern werden bestehende Populationen der Gelbbauchunke gestärkt und Trittsteinbiotope zwischen Lebensräumen angelegt. Darüber hinaus wird diese stark gefährdete Art in ihrem ehemaligen Verbreitungsgebiet in geeigneten Lebensräumen wiederangesiedelt, um stark isolierte Populationen zu verbinden und den genetischen Austausch wieder zu ermöglichen. Die Maßnahmen werden länderübergreifend in acht Projektregionen verteilt über die Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vorgenommen.

 

Offene, besonnte Lebensräume mit kleinen Tümpeln und Radspuren stellen einen geeigneten Lebensraum für den in Niedersachsen vom Aussterben bedrohten Froschlurch des Jahres 2014, die Gelbbauchunke, dar. Aktive, brach liegende und alte Steinbrüche sind Landschaftselemente, die durch die Anlage von Kleingewässern zu einem solchen Lebensraum entwickelt werden können. Denn geeignete Landlebensräume für die Gelbbauchunke sind in Steinbrüchen in Form von Steilwänden und angrenzenden Waldbereichen schon vorhanden, während Kleingewässer Nahrung und Reproduktionsmöglichkeiten bieten. Durch gemeinsame Arbeitseinsätze mit der Norddeutschen Naturstein AG konnte der NABU diese Lebensräume unter anderem in Bernsen wiederherstellen.

 

Das Gelbbauchunken-Projekt ist damit eng an die Praxis geknüpft. So wird ein bedeutender Anteil der Gelder für praktische Maßnahmen zur Renaturierung und zur Schaffung von geeigneten Bedingungen in Lebensräumen verwendet. Weiter werden schutzwürdige Landschaftsbestandteile im räumlichen Zusammenhang mit und für die Gelbbauchunke gesichert und hergerichtet – ein wichtiger Beitrag zum Biotopverbund. Die Art selbst steht dabei als Leit- und Zielart stellvertretend für eine Vielzahl bedrohter Tier- und Pflanzenarten, die alle in den gleichen Lebensräumen vorkommen. Dies sind dynamische strukturreiche Offenlandschaften mit temporären Klein- und Kleinstgewässern.

 

Das Projekt „Stärkung und Vernetzung von Gelbbauchunken-Vorkommen in Deutschland“ ist ein Förderprojekt des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) welches im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt (BPBV) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert wird. Ferner unterstützen finanziell das Land Nordrhein-Westfalen mit Mitteln des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV), der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) und die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) mit Mitteln des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) dieses Projekt. Projektträger ist der NABU Niedersachsen und Projektpartner sind die NABU Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die NABU Naturschutzstation Aachen, die Biologischen Stationen Bonn / Rhein-Erft und Oberberg, das Institut für Zoologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover sowie das Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover.

 


 

Das Projekt 'Stärkung und Vernetzung von Gelbbauchunken-Vorkommen in Deutschland' wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert.

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